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Hans Sachs: Das Schlaraffenland

Eine Gegend heißt Schlaraffenland, den faulen Leuten wohlbekannt; die liegt drei Meilen hinter Weihnachten. Ein Mensch, der dahinein will trachten, muss sich des großen Dings vermessen und durch einen Berg von Hirsebrei essen; der ist wohl dreier Meilen dick; alsdann ist er im Augenblick im selbigen Schlaraffenland.
Da hat er Speis und Trank zur Hand; da sind die Häuser gedeckt mit Fladen, mit Lebkuchen Tür und Fensterladen. Um jedes Haus geht rings ein Zaun, geflochten aus Bratwürsten braun; vom besten Weine sind die Bronnen, kommen einem selbst ins Maul geronnen. An den Tannen hängen süße Krapfen wie hierzulande die Tannenzapfen; auf Weidenbäumen Semmeln stehn, unten Bäche von Milch hergehn; in diese fallen sie hinab, dass jedermann zu essen hab.

Auch schwimmen Fische in den Lachen, gesotten, gebraten, gesalzen, gebacken; die gehen bei dem Gestad so nahe, dass man sie mit den Händen fahe. Auch fliegen um, das mögt ihr glauben, gebratene Hühner, Gäns' und Tauben; wer sie nicht fängt und ist so faul, dem fliegen sie selbst in das Maul. Die Schweine, fett und wohlgeraten, laufen im Lande umher gebraten. Jedes hat ein Messer im Rück'; damit schneid't man sich ab ein Stück und steckt das Messer wieder hinein.
Käse liegen umher wie die Stein. Ganz bequem haben's die Bauern; sie wachsen auf Bäumen, an den Mauern; sind sie zeitig, so fallen sie ab, jeder in ein Paar Stiefel herab. Auch ist ein Jungbrunn in dem Land; mit dem ist es also bewandt: wer da hässlich ist oder alt, der badet sich jung und wohlgestalt't Bei den Leuten sind allein gelitten mühelose, bequeme Sitten. So zum Ziel schießen die Gäst', wer am meisten fehlt, gewinnt das Best; im Laufe gewinnt der Letzte allein; das Schlafrocktragen ist allgemein,  Auch ist im Lande gut Geld gewinnen: wer Tag und Nacht schläft darinnen, dem gibt man für die Stund' einen Gulden; wer wacker und fleißig ist, macht Schulden. Dem, welcher da sein Geld verspielt, man alles zwiefach gleich vergilt, und wer seine Schuld nicht gern bezahlt, auch wenn sie wär eines Jahres alt,
dem muss der andere doppelt geben. Der, welcher liebt ein lustig Leben, kriegt für den Trunk einen Batzen Lohn; für eine große Lüge gibt man eine Kron'.
Verstand darf man nicht lassen sehn, aller Vernunft muss man müßig gehn; wer Sinn und Witz gebrauchen wollt, dem wär kein Mensch im Lande hold. Wer Zucht und Ehrbarkeit hätt lieb, denselben man des Lands vertrieb, und wer arbeitet mit der Hand, dem verböt man das Schlaraffenland. Wer unnütz ist, sich nichts lässt lehren,
der kommt im Land zu großen Ehren, und wer der Faulste wird erkannt, derselbige ist König im Land. Wer wüst, wild und unsinnig ist, grob, unverständig zu aller Frist,
aus dem macht man im Land einen Fürsten. Wer gern ficht mit Leberwürsten, aus dem ein Ritter wird gemacht, und wer auf gar nichts weiter acht't als auf Essen, Trinken und Schlafen, aus dem macht man im Land einen Grafen. Wer also lebt wie obgenannt, der ist gut im Schlaraffenland, in einem andern aber nicht. Drum ist ein Spiegel dies Gedicht, darin du sehest dein Angesicht.

Hans Sachs wurde am 5. November 1494 in Nürnberg geboren. Er war das einzige Kind des Schneidermeisters Jörg Sachs und dessen Frau Christina. Er besuchte von 1501 bis 1509 die Lateinschule im Heilig-Geist-Spital, danach begann er eine zweijährige Schuhmacherlehre. Seine anschließende 7-jährige Wanderschaft führte ihn durch Süddeutschland und an den Rhein. Danach hat er Nürnberg kaum mehr verlassen. 1520 wurde er zum Meister des Schuhmacherhandwerks gesprochen. Vierzig Jahre lang übte er sein Handwerk aus. Künstlerisch war Hans Sachs fast 7 Jahrzehnte (mit einer 3-jährigen Ausnahme) sehr aktiv. Über 4000 Meisterlieder komponierte er für die Nürnberger Meistersingergesellschaft. Er dichtete diese Meisterlieder nicht ausschließlich, wie bis zu der Zeit üblich, in geistlichem Sinne, sondern er bereicherte dieses Genre mit Fabeln, Schwänken, antiken und populären Stoffen.
Geistliche Themen waren vor allem der Reformation gewidmet. So hat er auf Singschulveranstaltungen die lutherische Lehre einem breiten Publikum bekannt gemacht. Auch in einer Flugschrift "Die Wittenbergisch Nachtigall" trat er für Luthers Lehre ein und veröffentlichte im gleichen Jahr sechs weitere Drucke dieser Schrift. Dadurch wurde er auch sehr populär. Für Hans Sachs standen dabei nicht so sehr die theologisch-theoretische Fundierung Luthers im Vordergrund, sondern die ehtische und lebenspraktische Konsequenz: tätige Nächstenliebe.
Hans Sachs polemisierte auch gegen die katholische Kirche. Unter anderem schrieb er Reime zu den Holzschnitten einer antipäpstlichen Flugschrift des Lorenz-Predigers Andreas Osiander. Der Rat der Stadt Nürnberg beschlagnahmte das Pamphlet und rügte den Dichter, er solle doch bei seinem Handwerk bleiben.
Aber auch andere zeitkritische Themen lagen ihm am Herzen: der Bauernaufstand, die Türkengefahr, der Markgrafenkrieg. Ausdruck fanden seine Werke in Fabeln, Schwänken, Lobsprüchen, Historien, Klag- und kampfgesprächen, Mären und Gelegenheitsgedichte. Seine Hinterlassenschaft umfasste mehr als 6000 Dichtungen in 33 handschriftlichen Bänden. Bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts wurde der "teutsche Poet" als "Europides Germanicus" und "Teutscher Vergilius" bezeichnet, geriet dann in Vergessenheit
Der Meistersinger: (auch Meistersänger) waren bürgerliche Dichter und Sänger im 15. und 16. Jahrhundert, die sich zunftartig zusammenschlossen. Ihre Dichtungen und Melodien leiteten sich aus dem Minnesang ab, gehorchten aber strengen Regeln. Unter den Künstlern überwogen die Handwerksmeister, doch zählten auch Priester, Lehrer und Juristen dazu. Schwank: bedeutet Streich oder lustiger Einfall und stammt vom mittelhochdeutschen Wort "swanc". Der Schwank beinhaltet eine komische, belehrende manchmal auch groteske Erzählung einer lustigen Begebenheit.

Fastnachtspiel: ist eine frühe Form des späteren Dramas. Es beinhaltete meist Streitszenen. Es wurde durch die Meistersinger zur Verspottung des dritten Standes, denn sie höhnten über die Dummheit der Bauern. Das Fastnachtspiel hatte eine belehrende Funktion: neben dem lustigen Spiel hatte es eine ernste, moralisierende Absicht. Außerdem sollte es politische und religiöse Ziele propagieren. Der bekannteste Vertreter der Fastnachtspiele ist Hans Sachs.
Volksbuch: verschiedene Gattungen von Texten, wie Sagen, Legenden, Gedichten, Balladen und Fabeln. Das Volksbuch verband Unterhaltung mit Lehrreichem. Der Begriff Volksbuch wurde von Herder erschaffen, und bezeichnete volkstümliche, lehrhafte Dichtungen. Z.B. Historia von D. Johann Fausten.
Meistersang: Der Meistersang entstand aus der Spruchdichtung und dem Minnesang. Die Meistersänger organisierten sich in Schulen. Der bekannteste von ihnen ist Hans Sachs aus Nürnberg. Der Meistersang bestand aus 3 Strophen, die ähnlich einem Minnelied aufgebaut waren: die ersten beiden Strophen bildeten den Aufgesang, die dritte den Abgesang.

Schlaraffenland: als Land der Faulen ist ein fiktives Land aus dem deutschen Märchen. Es wird häufig als ein Land geschildert, in dem alles im Überfluss vorhanden ist, vor allem Essen. In den Flussbetten läuft Milch oder Hönig oder Wein statt Wasser, alle Tiete hüpfen und fliegen bereits vorgegart und spundfertig, die Häuser bestehen aus Kuchen, statt Felsen liegt Käse herum. Faulheit ist die größte Tugend der Bewohner des Schlaraffenlands, harte Arbeit und Fleiß wird als Sünde betrachtet. Sch. wird deshalb heute meist übertragen verwendet um auf ein Paradies des Nichts-Tuns und müßig essend Herumliegens hinzuweisen. Die Idee tauchte erstmals 1494 als Parodie auf das Paradies in einem Werk Sebastian Brants auf, später wurde das Motiv im Gedicht von Hans Sachs aufgegriffen. Ein Märchen der Brüder Grimm ist betitelt als Das Märchen vom Schlaraffenland und konzentriert sich weniger auf die kulinarischen Aspekte als allgemein auf die Thematik des Rollentausches.

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