Sissi: Die Ikone
Es gibt kaum eine Monarchin, die posthum zu einer solchen Ikone stilisiert wurde wie Kaiserin Elizabeth. Doch „Sissi“ wurde erst lange nach dem ihrem Tod mit einer romantisierenden Biographie und von Legenden umrankt zu einem international vermarkteten Produkt. Mit Kaiserin Elisabeth, für die man sich zu Lebzeiten vergleichsweise wenig interessierte, hat das freilich wenig zu tun.Wie wurde Elisabeth eigentlich von ihren Zeitgenossen gesehen?Historische Zeitungsmeldungen zeigen ganz deutlich, dass Elisabeth zu ihren Lebzeiten nicht die allseits beliebte, umjubelte schöne Kaiserin war, die Titelseiten füllte. Tatsache ist, dass über Elisabeth, die sich sehr früh ihrer öffentlichen Rolle als Kaiserin entzog und in den letzten Jahren sehr selten in Wien weilte, auch nur selten berichtet wurde. Man wusste wenig vom Leben der Kaiserin, sah sie nur mehr selten bei öffentlichen Anlässen und erklärte ihre Zurückgezogenheit mit ihrem angegriffenen Gesundheitszustand. Da die Zeitungen innerhalb der Monarchie außerdem einer strengen Zensur unterlagen, wenn es um das Kaiserhaus ging, war eine offene kritische Auseinandersetzung mit der Kaiserin kaum möglich.In aristokratischen Kreisen zeigte man wesentlich deutlicher die Ablehnung gegenüber dem völligen Desinteresse der Kaiserin, ihre monarchistische Aufgaben zu erfüllen und stattdessen ihre persönlichen Interessen in den Vordergrund zu stellen.
Die Situation änderte sich schlagartig, als man nach der tragischen Ermordung der Kaiserin erkannte, dass sich die Geschichte der jungen, schüchternen Prinzessin, die plötzlich Kaiserin wird und sich als freiheitsliebende Persönlichkeit strengen Hierarchien und höfischem Zeremoniell bei Hof nur schwer unterordnen kann, die sich zu einer wunderschönen und selbstbewussten Frau entwickelt, aus diesem goldenen Käfig ausbricht und ihr eigenes unabhängiges Leben zu leben beginnt, dennoch unglücklich ist und tragisch ums Leben kommt, gut vermarkten lässt. So wurde Elisabeth posthum zu verehren, selbstlosen und guten Kaiserin stilisiert. Eine kritische Auseinandersetzung mit ihrer wirklichen Persönlichkeit, ihrer Egozentrik und Egomanie, wurde völlig ausgeklammert und damit ein verfälschtes Bild weitergegeben.Schnell wurden unzählige Gedenkbilder und – münzen sowie andere Memorablia, die an die Kaiserin erinnerten, verbreitet. Bezeichnenderweise wurde mangels Vorlage kein authentischer Portrait als Muster für die schon bald begehrten Sammlerstücke verwendet, sondern mittels Photomontage und Retouche ein Phantasietypus kreiert, der mit Elisabeth nur wenig zu tun hatte. Verwendet wurde die letzte Atelier – Photographie Elsabeths, als sie Anfang dreißig war.
Mittels Retouche alterte Elisabeth dezent, Kleidung und Friseur wurden modisch adaptiert – und fertig war das Bild einer Kaiserin, die nie so existiert hatte.Parallel dazu kamen in den 1920er Jahren die ersten Fortsetzungsromane über Kaiserin Elisabeth auf den Markt. Diese Romane bildeten die Bis für alle späteren Verwertungen der Geschichte der Kaiserin: Erstmals wurde von der romantischen Liebesheirat erzählt, die es ja zumindest von Seiten Elisabeths nie gegeben hatte, zum ersten Mal wurde sie als umjubelte und von ihrem Volk geliebte Kaiserin dargestellt, was ebenso wenig den Tatsachen entsprach.Deshalb war die Geschichte ein großer Erfolg und inspirierte einige Jahre später Hubert Marischka, der aus dem Stoff jenen Film machte, in dem sich die junge Romy Schneider als etzueckende „Sissi“ in die Herzen eines Millionenpublikums spielte.Elisabeth im FilmIn den frühen Filmen der 1920er und 1930er Jahre spielte Elisabeth nur „Nebenrollen“ in Filmen über Kaiser Franz Josef oder Kronprinz Rudolf und wurde daher auch nicht als junge liebreizende Kaiserin, sondern als reife Frau dargestellt. Erst mit Marischkas „Sissi“ – Trilogie aus den 1950er Jahren wurde Elisabeth zur weltweit bekannten und verehrten „Sissi“. Dazu trug vor allem die junge Romy Schneider bei, die bis heute das Bild der jungen, herzigen, ungezwungenen „Sissi“ prägt, das jedoch wenig mit der tatsächlichen Persönlichkeit der Kaiserin übereinstimmt.
Der dritte Teil der „Sissi“ – Filme endet bezeichnenderweise genau in dem Moment, als Elisabeth aus ihrer Rolle als Kaiserin und Gemahlin ausbricht und ein unabhängiges Leben nach ihren Vorstellungen durchsetzt. Dieser Teil ihres Lebens hätte schlecht in das Bild der liebenden Ehefrau, aufopfernden Mutter und mildtätigen Kaiserin, die um das Wohl ihres Volkes besorgt ist und der die Herzen zufliegen, gepasst und wurde daher kurzerhand weggelassen. Dieser Umstand trug dazu bei, dass weltweit in erster Linie die romantische Liebesgeschichte und das Bild einer beliebten Kaiserin bekannt wurde.
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