Ein Land - zwei Systeme
Die gängigste Gegenüberstellung der Wirtschaftssysteme Ost- und Westdeutschlands lautet: Planwirtschaft - Marktwirtschaft. Das ist allerdings stark vereinfachend und nicht vollkommen richtig. | Die DDR konnte nämlich ohne marktwirtschaftliche Instrumente wie Zins, Gewinn und verschiedener Steuerformen ihre sogenannte Planwirtschaft nicht handhaben. Das wollte man in der DDR-Führung oft nicht wahrhaben, und es hat immer wieder sogenannte ideologische Auseinandersetzungen mit verschiedenen Ökonomen gegeben, die stärker marktwirtschaftliche Instrumente in der Planung anwenden wollten. | In der Bundesrepublik hingegen existiert eine Marktwirtschaft mit verschiedenen Planungsformen. So wird z.B. als ein wichtiges Planungsinstrument der Leitzins genutzt, mit dem der Staat über die Bundesbank konjunkturell eingreift. Dem zur Seite stehen eine Reihe wichtiger vom Staat über den Bundesminister für Finanzen im Sinne einer “Planung” handzuhabender finanzieller Instrumente. Außerdem verfügen große Konzerne, deren Wirkungsbereich fast der gesamten früheren Volkswirtschaft der DDR entspricht, über große Planungsabteilungen. | Wesentlich waren vor allem die unterschiedlichen Eigentumsverhältnisse. In der Bundesrepublik dominiert seit jeher das privatwirtschaftliche Eigentum an Grund und Boden, Banken, Fabriken, wenngleich es auch Staatseigentum gibt wie Bundesbahn, teilweise VW, bis vor kurzem Post, Lufthansa u.a. Aufgrund der Monopolstellung einzelner Unternehmen - Bsp. Post, Bahn - ist die Wirkung marktwirtschaftlicher Instrumente stark eingeschränkt, was teilweise sogar gesetzlich fixiert ist - Bsp. Beförderungsmonopol der Post. | In der DDR gab es sogenanntes Vokseigentum, das aber eigentlich nur Staatseigentum war. Offizielle Version war die Gleichsetzung von Volksinteressen mit denen des Staates, was nicht stimmen konnte, weil die Interessen des Einzelnen völlig unzureichend berücksichtigt wurden. Der Einzelne hat dann ein Interesse an der Arbeit, wenn es ihm etwas bringt. Das ist auch heute nicht anders, und die Praxis zeigt, daß beispielsweise zu hohe (progressiv steigende) Steuern initiativbremsend wirken. Die DDR hatte ein Wirtschaftsmodell der UdSSR übernommen oder übernehmen müssen, das in einem entwickelten Land nicht funktionieren kann, weil die staatliche Planung nicht das Wirken bestimmter sich selbst regulierender Instrumente ersetzen kann.
Solche Instrumente kann man zwar in jeder Gesellschaft zeitweise bei Mangelerscheinungen (Nachkriegszeit) außer Kraft setzen, sie sind jedoch niemals auf Dauer lebensfähig. | Wenn man über die Unterschiede der ost- und westdeutschen Wirtschaft spricht, gehören auch die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen dazu. Die DDR mußte der UdSSR viele Milliarden Reparationen für das Erbe des Krieges zahlen, während die Bundesrepublik von den USA in der gleichen Zeit Milliardenkredite im Rahmen des Marshall-Planes erhielt. So hat der kalte Krieg, der jahrelang die Ost-West-Beziehungen beherrschte, die ostdeutsche Wirtschaft viel stärker getroffen als die westdeutsche, zumal die DDR keine potenten Verbündeten besaß, wie das Erbe der UdSSR beweist. Im Zeitalter der rasanten technologischen Revolution fehlte in der DDR jegliche Basis, um mit der Weltwirtschaft wirklich Schritt zu halten. Der Abstand wurde ständig größer und war nicht aufholbar. Daran ändern auch einige Spitzenleistungen nichts, die man außerdem nach 1990 größtenteils nicht mehr sehen wollte, weil sie in der funktionierenden Volkswirtschaft der Bundesrepublik nur Kapazitäts-Konkurrenz bedeuteten. konjunktburell = die wirtschaftliche Gesamtlage und ihre Entwicklungstendenz betreffend Reparationen = Kriegsentschädigungen.
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