Was wissen wir wirklich über die Entwicklung des Klimas auf unserer Erde? Nicht viel. Denn eine umfassende Sammlung klimarelevanter Messdaten gab es bisher nicht. Das soll sich jetzt ändern.
El Nino, Hurricanes, Hochwasser, Eisheilige, Niederschlag. Hunderte Klimaphänomene verunsichern die Menschen. Meteoro- und Klimatologen versuchen solche Phänomene mit Hilfe von Klimamodellen zu beschreiben oder vorherzusagen. Doch solche Modelle vereinfachen notgedrungen die Komplexität des Wettergeschehens auf unserem Planeten. Sie enthalten Annahmen über die gegenseitige Beeinflussung von Prozessen und damit mehr oder weniger Unsicherheit.
Wissenschaftler von der Universität Wien haben nun erstmals eine von Klimamodellen unabhängige Sammlung beobachteter Daten klimarelevanter Größen veröffentlicht. Die Daten, die weltumspannend den Zeitraum 1991-1995 abdecken, sollen „Ordnung ins Klimachaos bringen“, sagt Michael Hantel vom Institut für Meteorologie und Geophysik der Universität Wien.
Das „Haushaltsprizip“ helfe, aus der Fülle der über das Klima verfügbaren Information jene auszuwählen, die nötig ist, den Zustand des Klimasystems zu beschreiben.
„Eine wirkliche Klimagröße muss haushaltsfähig sein“, erläutert Hantel.
Zum Beispiel können Messungen des Niederschlags von Bodenstationen, Wetterradar und Satelliten zu einem einheitlichen, den Globus umspannenden und einen gewissen Zeitraum abdeckenden Bild zusammengefügt werden, da der Niederschlag Teil des Wasserhaushaltes ist: Die Wassermenge auf der Erde bleibt erhalten, zumindest innerhalb des beobachteten Zeitraums.
Verdampfung und Kondensation müssen sich deshalb die Waage halten. Solche Rahmenbedingungen ermöglichen es, verschiedene Datensätze auf ihre Konsistenz zu prüfen und Messfehler abzuschätzen. Weitere Beispiele für solche Haushaltsgrößen sind Strahlungsenergie und Luftfeuchtigkeit.
Gegenbeispiel: Die Route eines tropischen Wirbelsturms ist zwar mit einiger Genauigkeit vorhersagbar. Nach dem Haushaltsprinzip spielt eine solche Information jedoch keine Rolle, da sie mit keiner Erhaltungsgröße verknüpft ist.
Dass die Assimilation von Daten aus Bodenstationen, Schiffen, Flugzeugen und Satelliten, die zudem von 19 Organisationen aus aller Welt bereitgestellt wurden, keine alltägliche Aufgabe ist zeigt der zeitliche
Aufwand: Zehn Jahre dauerte die Aufbereitung der Daten für die jetzt vorliegende standardisierte Darstellung.
Ob und wie stark sich die Erde erwärmt hängt von ihrem Strahlungshaushalt ab, der in der Datensammlung ausführlich dokumentiert ist. Er umfasst zum einen Reflexion und Absorption der kurzwelligen Sonnenstrahlung, zum Beispiel an Wolken oder am Boden. Zum anderen trägt die von der Erde, den Ozeanen und der Atmosphäre emittierte langwellige Wärmestrahlung zur Strahlungsbilanz unseres Planeten bei. Zwar zeigt die planetenweite Strahlungsbilanz einen kleinen positiven Wert, was die Vermutung nahe legt, die Sonne strahle mehr Energie ein als die Erde an das All zurückgibt - der viel zitierte Treibhauseffekt. Doch lässt sich dies nach Meinung von Klimaforscher Erhard Raschke aus den Daten nicht folgern, da der Wert innerhalb der Fehlergrenzen liege. Was die Daten jedoch klar demonstrieren: Wolken wirken kühlend auf die Atmosphäre. Zwar hindern sie die langwellige Wärmestrahlung daran, ins All zu entweichen. Gleichzeitig reflektieren ihre hellen Oberflächen einfallende Sonnenstrahlung.
Dass die Klimaforschung auch im 21. Jahrhundert noch in den Kinderschuhen steckt zeigt sich in einer besonders klimasensiblen Gegend: „Die polaren Regionen sind Frühwarnsysteme für Klimaänderungen“, sagt Heinrich Miller vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven.
Der Geophysiker hat Daten für den Eishaushalt von Grönland und Antarktis zusammengetragen und versucht, eine Bilanz zwischen Zuwachs der Eisschilde durch Niederschlag und Eisverlust durch Schmelzen und Eisbergbildung zu ziehen. Die Datenbasis für den Abfluss des Eises weise jedoch „große weiße Flecken“ auf, so Miller. Für Grönland sei der Abfluss nur an wenigen Stationen gemessen worden.
Für die Antarktis, wurde die Fließgeschwindigkeit der Eisoberfläche von Satelliten aus vermessen. Um die ins Meer abfließende Eismenge jedoch abschätzen zu können, müssen Annahmen über die Geschwindigkeit des Eises in verschiedenen Schichten des kilometerdicken Eispanzers gemacht werden.
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