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Kriegsliteratur (Seminararbeit)

Also...

Der Krieg ist so alt wie die Menschheit selbst. Er ist auch einer der grössten Schrecken der Menschen. Im Krieg werden die dunkelsten Schattenseiten der Menschheit wie Brutalität, Unbarmherzigkeit und Blutgier entlarvt. Deshalb ist er auch zu einem wichtigen Bestandteil der Literatur geworden. Die meisten Werke der Kriegsliteratur sind gegen den Krieg gewendet – für den Einzelnen bedeutet der Krieg nichts Gutes, der Impuls zum Kampf geht immer „von oben“ aus. Es gibt aber auch Werke, die den Krieg verhöhnen, ihn für notwendig, sogar für richtig erklären. Wir beschäftigen uns in dieser Seminarbeit mit den Hintergründen der Kriegsliteratur und ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft. „Früher habe ich Abenteuer erlebt: die Einrichtung von Postlinien, die Überwindung der Sahara, Südamerika – aber der Krieg ist kein richtiges Abenteuer, er ist nur Abenteuer-Ersatz. Der Krieg ist eine Krankheit, wie der Typhus.“

Antoine de Saint-Exupéry (aus „Flug nach Arras“)


Eines der ersten deutschen Werke, die man zur Kriegsliteratur zählen kann, ist das bekannteste mittelhochdeutsche Heldenepos, das “Nibelungenlied”. Es beschreibt den Krieg nicht direkt, sondern vereint zwei ursprünglich unabhängige Stoffe zu einer Einheit: die Sage von Siegfried und Brünhilde, und den Untergang der Burgunden unter ihrem König Gunther im Kampf gegen die Hunnen im 5. Jh. Eine grosse Rolle spielt in diesem Epos der Nibelungenschatz. Er ist ein Symbol für Macht und garantiert Überlegenheit über andere Herrscher. Die Überlegenheit über andere hat in dieser Zeit eine wichtige Rolle gespielt, wegen der ständigen Ausseinandersetzungen zwischen den Völkern. Der Nibelungenschatz ist aber auch ein Symbol allen Unglücks und aller Not. Diese Symbolik wird im Epos ausgenützt, um die Laster der damaligen Gesellschaft zu schildern. Das negative Handeln steht im Gegensatz zu den höfischen Idealen – Mord, Betrug, Hinterlist, Rache und Hass gewinnen die Oberhand.
Das Epos hat in der heutigen Zeit eine grosse Bedeutung. Es wird als nationales Kulturdenkmal angesehen, man glaubt dort typisch deutsche Eigenschaften zu sehen. Unter den Nationalsozialisten ist es für die Propaganda missbraucht worden.

In der Mitte des 15. Jahrhunderts beginnt die Epoche der Renaissance. Es ist eine geistige Bewegung der Kulturgeschichte, die die Wiedergeburt der Antike zum Ziel hat.

In dieser Epoche werden die Ideale der Antike wieder zum Leben erweckt, die mittelalterlichen Vorstellungen sollten überwunden werden. Man ist bestrebt, das Leben in politischer und geistiger Hinsicht zu erneuern. Mit vielen neuen Tendenzen ist auch die Loslösung von Staat und Kirche verbunden.
Der Universitätsprofessor Martin Luther fordert eine Erneuerung des christlichen Glaubens und setzt eine religiöse Bewegung – die Reformation in Gang. Seine Ansichten schildert er in den „95 Thesen“ (1517). Luther ist gegen Ablasshandel und Missstände des Papstums, das Evangelium will er von dem schädlichen Einfluss des Papstums befreien. Er lehnt bestimmte kirchliche Traditionen ab. 1520 publiziert er die Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“, welche vom Volk gänzlich missverstanden wird. Die Formulierung

„Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“

wird von den Bauern als Erklärung ihrer absoluten Freiheit und Selbstbestimmung verstanden, wogegen Luther damit die innere Freiheit eines Christen meint – das einzige Recht eines Christenmenschen sei zu dulden. Unter den Bauern herrscht soziale Unzufriedenheit, sie leiden unter hohen Steuern und Zöllen und unter der als ungerecht empfundenen Rechtssprechung durch die Fürsten. Diese Unzufriedenheit kommt im Zusammenhang mit der Reformation zum Ausbruch. Unter dem Schleier der religiösen Idee vereinen sich Bevölkerungsschichten, welchen es um religiöse oder aber um weltliche (soziale) Revolution geht. Diejenigen aus dem Bürgertum, die sich an dem Kampf gegen soziale Missstände beteiligt haben, ziehen sich zurück, da sie ihre Privilegien bedroht sehen. Luther distanziert sich von den Bauern und schlägt sich auf die Seite der Fürsten, von denen er sich die Durchsetzung seiner Idee erhofft. Die Fürsten sehen in der Reformation eine Chance, die Besitztümer der Kirche übernehmen zu können, und kooperieren mit Luther. In der Schrift „Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern“ nennt Luther die Bauern Teufel und unterbreitet ihre Bewegung scharfer Kritik.
Auf der Seite der Unterdrückten steht der Theologe Thomas Müntzer. 1524 erscheinen seine „Streitschriften“, Müntzer wirft Luther vor, die sozialen Anliegen der Bauern missbraucht und verraten zu haben, weil Luther die von Bauern angewendete Gewalt verurteilt hat. Christliches Leben ist für Müntzer ein Ringen um die Wahrheit, verbunden mit dem Kampf um würdige Lebensbedingungen. Sein Ziel ist die Souveränität des Volkes und eine bewaffnete Volksmacht.

Religiöse Revolution ist für ihn nur im Zusammenhang mit einer politisch–sozialen sinnvoll und möglich. Er ist einer der Leiter der Bauernaufstände, die sich schliesslich zum Bauernkrieg (1524-1525) entwickeln. Die Bauern zerstören Burgen, Schlösser, Klöster und fordern in den „Zwölf Artikeln“ die Abschaffung der Leibeigenschaften. Schliesslich verlieren die Bauern den unausgeglichenen Kampf, tausende, unter ihnen auch Müntzer, verlieren ihr Leben. Die Reaktion der Autoren auf die sozialen Missstände dieser Zeit ist unterschiedlich. 1525 fordert die Flugschrift „Reformatio Sigismundi“ die Abschaffung der Leibeigenschaft. Noch um die Jahrhundertwende entsteht die Flugschrift „Der Oberrheinische Revolutionär“, die ein breites Reformprogramm enthält.

In der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts kommt es zur Gegenreformation. Die Gegensätze zwischen Katholizismus und Protestantismus, zwischen dem konservativen Kaiser und den protestantischen Fürsten, die nach Selbstständigkeit streben, führen schliesslich zum 30jährigen Krieg (1618-1648), auch Der grosse deutsche Krieg genannt. Mehrere europäische Mächte sind an diesem Krieg beteiligt (Frankreich, Schweden,...). In Deutschland kommt etwa 1/3 der Bevölkerung durch Krieg, Pest und Hunger um. Die Machtstellung der Habsburger im Reich wird vernichtet, das Reich zerfällt in viele unabhängige Kleinstaaten. Die Fürsten regieren absolut, in ihrem Handeln sind sie nur Gott gegenüber verantwortlich (das glauben sie zumindest). Das Lebensgefühl der Menschen ist zwiespältig und von den Auswirkungen des 30jährigen Krieges geprägt. Die Gedanken und Gefühle schwanken zwischen Lebensgenuss und Todesmystik – Carpe diem und Memento mori. Die Bevölkerung hat nach dem Krieg andere Sorgen, viele müssen um ihr tägliches Überleben kämpfen.
Der bedeutendste volkstümliche Roman dieser Epoche ist „Der abenteuerliche Simplicissimus“ von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen. Der Roman vermittelt ein Bild des 30jährigen Krieges und des soldatischen Alltags. Die Hauptfigur in diesem Roman, Simplicius Simplicissimus, steht für den einfältigen und naiven Menschen. Die Naivität hat im Barock eine positive Bedeutung im Sinne von Reinheit und Unschuld. Simplicius wächst abseits der Welt bei einem Bauern auf. Eines Tages überfallen versprengte Soldaten den Hof, plündern, zerstören und rauben. Damit ist für Simplicius die schöne Zeit vorbei, er reist durch die Welt und lernt sie kennen. Er dient als Page eines Kommandanten, wobei er die Rolle eines Narren spielt. Dies ermöglicht ihm, die Welt um ihn herum unbestraft zu vespotten.

Später wird er in kriegerische Wirren hineingezogen, erlebt erotische Abenteuer, beschäftigt sich mit Alchemie und Naturwissenschaften. Sein Schicksal führt ihn schliesslich über Russland, Korea und Türkei wieder in den Schwarzwald zurück, er endet als Einsiedler.

Die Spannung zwischen den europäischen Ländern wuchs ständig seit dem Anfang des 20. Jahrunderts. Der Vorwand für den 1. Weltkrieg ist der Mord an dem Thronfolger Ferdinand d’Este in Sarajevo – in der Habsburger Monarchie sieht man dies offiziell als Terrorakt der Serben an, welches bestraft werden muss. Allmählich schliessen sich dem Krieg mehrere Staaten an. In Deutschland rechnet man mit dem Blitzkrieg – einem schnellen Angriff mit sofortigem Gewinn. Gleichzeitig ist man bestrebt, den Krieg auf zwei Fronten zu vermeiden. Dieser Plan schlägt aber fehl und der Krieg verwandelt sich in einen langen und grausamen, der sich hauptsächlich in den Schützengräben abspielt. Deshalb sind die Erlebnisse und Eindrücke äusserst schrecklich gewesen. Dies hat zur Folge, dass die Schriftsteller, die sich am Krieg beteiligen mussten, voll von grausamen Kriegsbildern gewesen sind und ihre Gefühle loswerden mussten.
Einer der Schriftsteller, die sich dem Thema des 1. Weltkrieges gewidmet haben, ist Karl Kraus. In dem Drama „Die letzten Tage der Menschheit“ schildert er mittels Zitaten und Zeitungsmeldungen, militärischen Befehlen, Gerichtsurteilen und Anzeigen den Krieg. Über 1000 Personen, viele aus der Geschichte (Wilhelm II., Kaiser Franz Joseph, verschiedene Minister und Militärs) treten in den verschiedensten Szenen auf. Kraus entlarvt die Brutalität und Dummheit der Menschen, die den Krieg schliesslich selbst verursacht haben. Auch Erich Maria Remarque konnte nicht schweigen, er hat in seinem Roman „Im Westen nichts Neues“ die nackte Brutalität und Absurdität des Krieges geschildert /siehe Buchbesprechung/.

Die Weimarer Republik, die nach dem 1. Weltkrieg in Deutschland entstanden ist, ist die erste demokratische Republik in der deutschen Geschichte. Vielleicht auch deshalb ist sie von vielen Krisen, Widersprüchen und politischen Kämpfen gekennzeichnet. Die öffentliche Meinung wird von zwei politischen Richtungen geprägt – den konservativen Nationalisten, die traditionsgemäss eine Erneuerung des Reiches fordern, und den Liberalen, die die westliche Zivilisation begrüssen und nach einem neuen gesellschaftlichen Wandel streben. Die herrschende Macht ist unstabil und kann keine Sicherheiten geben. Doch sie übersteht den ersten Versuch des zukünftigen Diktators Adolf Hitler, die Macht an sich zu reissen (1923).

Die Weltwirschaftskrise (1929 - 1933) und die darauffolgende Massenarbeitslosigkeit schaffen jedoch den Boden für extremistische, radikale Gedanken und sgn. sofortige Lösungen. 1933 übernehmen die Nationalsozialisten mit Adolf Hitler an der Spitze die Führung. Jegliche Anzeichen von Demokratie und Pluralität verschwinden rasch. Die Weltmächte sehen nur untätig zu – erst als Hitler Polen angreift, besinnen sie sich. Die Aggression der Nazis hat den 2. Weltkrieg zu Folge. Der Konflikt kostet ungefähr 60 Millionen Menschen das Leben, 6 Millionen Juden sterben in den Konzentrationslagern.
Der Krieg verursacht eine weltweite Empörung. Die Literaten versuchen die Grausamkeiten dieser Zeit realistisch zu schildern, um ein Memento für die nächsten Generationen zu bilden. Die ersten schriftstellerischen Versuche in Deutschland nach 1945 werden als Trümmerliteratur bezeichnet. Man schreibt von Menschen, die in Trümmern leben, oder nach Hause zurückkehren und dort oft alles zerstört finden. Vor allem Heinrich Böll, Wolfdietrich Schnurre, und Wolfgang Borchert haben die Kriegserfahrungen, die Zeit des Nationalsozialismus, die Gefangenschaft und all die Grausamkeiten der Zerstörung äusserst realistisch geschildert. Heinrich Böll beschreibt Kriegserlebnisse, aber auch die Probleme der Nachkriegszeit (Hunger, Wohnungsnot, usw.). Seine Helden sind oft Aussenseiter der Gesellschaft, er schreibt über Menschen, die mit der offiziell proklamierten Meinung nicht einverstanden sind. So ist es auch in seinem Roman „Wo warst du, Adam?“ /siehe Buchbesprechung/. Wolfgang Borchert beschäftigt sich in seinen Werken vor allem mit den schmerzhaften Emotionen, die der Krieg verursacht hat. Er stellt Fragen nach Schuld und Kriegsverantwortung, beschreibt die Gefühle der sgn. Generation ohne Abschied. Zu seinen besten Werken zählt man die Kurzgeschichten-Sammlungen „Die Hundeblume“, „An diesem Dienstag“ und das Drama „Draussen vor der Tür“ /siehe Buchbesprechung/. Mit der Kriegsthematik hat sich auch Carl Zuckmayer in seinem Roman „Des Teufels General“ beschäftigt. Die Hauptperson, General Harras, ist des Teufels (Hitlers) General. Der Autor beschreibt seinen zwiespältigen Charakter – er arbeitet für die Nazis, obwohl er ihre Philosophie verabscheut.






Buchbesprechungen


ERICH MARIA REMARQUE: Im Westen nichts Neues (1929)

Erich Maria Remarque (Erich Paul Remark) wurde 1898 in Osnabrück geboren. Schon als ein Student musste er sich am 1. Weltkrieg beteiligen. Diese Erfahrung hatte großen Einfluss auf sein Leben und seine Werke.

In den 30er Jahren wurde er von den Nazis verfolgt, schließlich emigrierte er in die Schweiz, später in die USA.
„Dieses Buch soll weder eine Anklage noch ein Bekenntnis sein. Es soll nur den Versuch machen, über eine Generation zu berichten, die vom Kriege zerstört wurde – auch wenn sie seinen Granaten entkam.“ – so äussert sich der Autor im Geleitwort zu diesem Buch. Dieses Werk hat heftige politische Diskussionen, publizistische Anfeindungen, aber auch Lobpreisungen ausgelöst. In Kürze erreicht es weltweit Millionenauflagen, wird in mehr als 30 Sprachen übersetzt und in den USA verfilmt. Als in Berlin die deutsche Fassung des Films uraufgeführt wird, beginnen die Berliner Nazis die Filmaufführung durch Krawalle zu verhindern. Schließlich wird der Film verboten, da er angeblich „deutsches Ansehen gefährde“ und die „deutsche Wehrmacht herabsetze“…

Wie bereits erwähnt worden, hat das Buch sehr widersprüchliche und heftige Reaktionen ausgelöst. Der Schriftsteller Hans Zöberlein schreibt im Jahre 1929: “Es ist eine jauchzende Entschuldigung der Deserteure, Überläufer, Meuterer und Drückeberger und somit ein zweiter Dolchstoß an der Front, an den Gefallenen aber eine Leichenschändung. […] Woanders hinge ein solcher Schmierfink längst von Staats wegen an einer Laterne auf einem öffentlichen Platz der Hauptstadt zur öffentlichen Abschreckung. Oder er wäre von den Frontsoldaten in seinem Element, einer Latrine, ersäuft worden. In demselben Jahr äussert sich Carl Zuckmayer: „Es gibt jetzt ein Buch, geschrieben von einem Mann namens Erich Maria Remarque, gelebt von Millionen, es wird auch von Millionen gelesen werden, jetzt und zu allen Zeiten, und nicht gelesen, wie man Bücher liest: sondern wie man seinem Schicksal unterliegt, dem Unentrinnbaren seiner Zeit und seines Daseins, wie man es packt und wie man gepackt wird, wie man blutet, wie man kämpft, wie man stirbt. […] Es reißt alle Menschen in das Schicksal dieser Generation hinein.“

Als ich Remarques Buch „Im Westen nichts Neues“ in die Hände bekommen habe, habe ich mir nicht sehr viel davon versprochen. Die Kriegswerke sind doch alle gleich, habe ich mir gedacht. Doch schon als ich die ersten Zeilen hinter mir gehabt habe, ist es mir klar geworden, dass dieses Buch anders ist. Am Anfang habe ich mit gewisser Freude gelesen, da alles klar, präzise und einfach geschrieben war. Ich habe nicht nachdenken müssen, was der Autor zu sagen hat. Ein paar deutsche Schüler werden von ihrem Lehrer überredet in den Krieg zu gehen und für die Ehre des Staates zu kämpfen. Ich habe mich sehr leicht in die Gefühle und Vorstellungen der Hauptperson – Paul Bäumer – hineinfühlen können.

Die Leichtsinnigkeit der jungen Burschen, mit der sie über alles nachgedacht haben, kenne ich ja allzu gut. Die Blödheiten und Prügeleien, in die sich Paul zusammen mit seinen Freunden auch in den Kasernen verwickelt, sind mir auch begreiflich. Die ersten Seiten haben auf mich den Eindruck einer gewissen Unbekümmertheit und jugendlicher Freiheit gemacht. Doch plötzlich hat sich alles geändert. Paul kommt an die Front und erlebt die erste Attacke. Weitere Angriffe folgen. Paul überlebt, viele sterben. Zack. Es ist, als ob ich einen heftigen Schlag bekommen würde. Vorher habe ich keine Ahnung gehabt, was eigentlich dieser Krieg sein soll. Man tötet andere Menschen, lebt unter scheusslichen Bedingungen, das ist so ziemlich alles. Woher sollte ich auch etwas wissen? Doch die Szenen, in denen der Autor so einfach, als ob nichts geschehen wäre, all die Grausamkeiten des Krieges (Gasattacken, Granatenverletzungen, die gespenstische Atmosphäre) detailliert schildert, haben mich gepackt. Ich konnte mir alles bis zum letzten Detaill vorstellen. Beinahe habe ich aufhören müssen zu lesen, um all die Eindrücke zu verarbeiten, einzuordnen. Das Buch hat mich sozusagen hineingezogen, ich lebe in der Welt von Paul und seinen Freunden. Die gespenstisch - nihilistische Atmosphäre ist von nun an mein Begleiter durch alle Seiten. Die einzige Sicherheit der Soldaten ist schliesslich nur der Tod. Was tun sie denn all die Zeit? Entweder kämpfen sie, wobei sie sich in nicht denkende Maschinen verwandeln, und in der Freizeit stumpfen sie ihre Sinne mit Zigaretten und Alkohol ab, denken velleicht an Frauen… Doch nichts kann eine völlige Rettung bringen, alle Zerstreuungen sind nur kurzweilig. Die Ideale, für die Paul, seine Freunde und Feinde kämpfen sollen, sind für Paul mit dem ersten Toten zu Staub zerfallen. Eines Tages fährt Paul nach Hause, er hat Urlaub. Er freut sich und ich mit ihm. Doch langsam merkt er, dass ihm alles fremd geworden ist, das Leben zu Hause hat für ihn keinen Sinn mehr. Er gehört nicht in diese Welt. Der krasse Unterschied zwischen Paul und den Leuten, die den Krieg nur aus Zeitungsbildern kennen, aber oft alles besser zu wissen glauben, zeigt sich während eines Gespräches in einer Kneipe. Ein Herr belehrt Paul, wie er zu kämpfen hat, dass er sich mehr anstrengen soll. Deutschland muss doch gewinnen, es muss neue Länder besetzen usw. Von wegen… Da hat Paul genug, und ich mit ihm. Für mich ist diese Szene die bedeutendste Stelle des Romans, da hier die Kluft zwischen den menschlichen Vorstellungen und dem Alltag in einer unheimlichen Weise enthüllt wird.

Pauls schreckliche Erlebnisse und Erfahrungen, die sein Leben eigentlich zerstört haben, sind für einen anderen unwichtige Kleinigkeiten, für diesen Herrn (und für wie viele weitere?) ist der Gewinn, das Voranschreiten der Front viel wichtiger als hunderttausende zerstörte Menschenleben. Wie wenig sind wir im Stande (oder wollen wir nur nicht?) die Gefühle der anderen wahrzunehmen, ein bisschen Interesse zu zeigen. Pathetische Phrasen, bombastische Tiraden über heldenhafte Taten, wie oft habe ich diese schon gehört! Dank der nationalistischen Propaganda hat auch Paul Bäumer sein Leben verloren. Gegen Ende des Buches debattiert er mit einigen Freunden über den Sinn des Krieges. Sie wollen einfach wissen, warum es diesen Krieg gibt. Paul weiss nicht, warum oder wozu er kämpft, und er ahnt, dass es seine Gegner auch nicht wissen. Jeder tötet, nur um nicht getötet zu werden. Paul schwört angesichts der Leiche eines franzözischen Soldaten: „Mein Freund, wenn ich es überlebe, werde ich dagegen kämpfen, was uns beide zerstört hat…ich schwöre es…so was darf sich niemals wiederholen.“ Schliesslich stirbt Paul auch, wenige Wochen vor Kriegsende ...
Dieses Buch hat meine Einsichten und meine Meinung über den Krieg völlig verändert, da ich es durch die Augen eines unbedeutenden, durchschnittlichen Soldaten gesehen habe. Paul Bäumer hat nicht mehr gegen den Krieg kämfen können. Er hat nicht gewusst, weshalb dieser Krieg zustandegekommen ist. Wir können in Geschichtsbüchen nachlesen, wie es zu diesem Krieg gekommen ist. Doch trotz der beiden Weltkriege und vieler anderer „kleinerer“ Konflikte, scheint es mir, dass wir die Botschaft der Gefallenen nicht hören wollen. Für mich lautet diese Botschaft ganz eindeutig – Menschlichkeit, Liebe, Freundschaft und Hilfe sind wichtiger als alle Schätze dieser Welt. Bei der Erinnerung an dieses Buch muss ich mir einige Fragen stellen – Was tue ich, damit nicht mehr Menschen leiden? Wie und wo zeigt sich meine Menschlichkeit? Bin ich nicht zu selbstbezogen und gleichgültig anderen Menschen gegenüber? Ich versuche mir selbst die Antwort durch meine täglichen Taten zu geben, den Menschen in mir wachzurütteln…




HEINRICH BÖLL: Wo warst du, Adam? (1951)

Heirich Böll wurde als 22 jähriger in den Krieg geschickt, wo er sechs Jahre lang Soldat gewesen ist. Diese Zeit hat sein ganzes Leben beeiflusst – die Eindrücke sind zu stark gewesen, um schweigen zu können. Seit 1949 hat er Erzählungen, Romane, Hör- und Fernsehspiele, Theaterstücke veröffentlicht und ist als Übersetzer tätig gewesen. Er hat 1972 den Nobelpreis für Literatur erhalten.

Er ist 1985 in Hürtgenwald (BRD) gestorben.

„Wir schrieben also vom Krieg, von der Heimkehr und dem, was wir im Krieg gesehen hatten und bei der Heimkehr vorfanden: von Trümmern; das ergab 3 Schlagwörter, die der jungen Literatur angehängt wurden. Kriegs-, Heimkehrer- und Trümmerliteratur. Die Bezeichnungen als solche sind berechtigt: es war Krieg gewesen, sechs Jahre lang, wir kehrten heim aus diesem Krieg, wir fanden Trümmer und schrieben darüber.“
Heinrich Böll: Bekenntnis zur Trümmerliteratur (1952)

In diesem Roman werden die Schicksale einzelner Menschen im Zusammenhang mit dem Krieg beschrieben, sie hängen immer in irgendeiner Weise mit dem Soldaten Adam Feinhals zusammen.
Das ganze Buch besteht aus einzelnen Lebensabschnitten der beschriebenen Personen. Fast alle Bevölkerungsschichten werden hier geschildert, von einem Barmann bis zu einem General. Böll taucht auch in die Schreckenswelt der Juden ein – sie wird durch Adams Liebe zu einer jüdischen Lehrerin geschildert. Die Liebe hat nicht mal Zeit, um sich voll zu entfalten, und schon wird Adams Geliebte in ein Konzentrationslager gebracht. An dieser Stelle beschreibt Böll den Umgang mit den Juden, man bekommt den Eindruck, als wären es seelenlose „Dinge“.
Die organisierte Sinnlosigkeit des Krieges wird auch in diesem Werk deutlich und anschaulich dargestellt – sie wird als Hintergrund der Geschichte eines deutschen Wachkommandos bei einer strategisch wichtigen Brücke gezeigt. Die Brücke ist von Partisanen zerstört worden und von den Deutschen wieder aufgebaut, um gleich wieder vor den andrückenden Russen gesprengt zu werden.
Am Ende kehrt Adam schliesslich nach Hause zurück. Das Ende des Krieges nähert sich, die Alliierten schreiten voran. Auch Adams Geburtsort, ein kleines Dorf in Deutschland, hat sich ihnen ergeben. An jedem Haus flattern weisse Fahnen. Dies gefällt aber der in der Nähe stationierten Truppe von deutschen Soldaten nicht, sie beschiessen die Friedensfahnen mit Granaten. Das wird Adam zu Verhängnis – gerade als er sein Elternhaus betreten will, wird die Fahne über seinem Kopf mit einer Granate beschossen. Adam Feinhals stirbt an der Schwelle seines Elternhauses.

Der Leser erfährt nie, wie Adams Gefühle, Gedanken oder Ansichten aussehen, Adam spielt hier lediglich die Rolle eines unbeteiligten Beobachters. Oft hat die Handlung gar nichts mit ihm zu tun, viele Male erscheint er nur als eine unbedeutende Nebenfigur.
Dieses Buch hat etwas Unpersönliches an sich, Böll schildert alle Geschehnisse völlig unbeteiligt. Er selber zieht in diesem Buch keine Schlüsse, dies überlässt er dem Leser selbst.

Dadurch erscheint dieses Werk manchmal kahl und unmenschlich, die grausamsten Szenen scheinen „mit einem Achselzucken“ hingenommen zu werden. Es hat aber den Vorteil, dass sich der Leser selber ein Bild von dem Krieg machen kann, es wird ihm keine fertige Meinung aufgezwungen.





WOLFGANG BORCHERT: Draussen vor der Tür (1946)

Wofgang Borchert ist nur 26 Jahre alt geworden. 1941 kam er an die Ostfront. Er wurde zweimal wegen seiner Äusserungen, die als staatsgefährdend eingestuft wurden, verhaftet und in ein Gefängnis gebracht. Er war schwer krank, und deshalb blieb ihm nach dem Ende des Krieges nicht mehr viel Lebenszeit. Diese nutzte er intensiv, trotz des Wissens um seine Krankheit arbeitete er noch fieberhaft an der Fertigstellung mehrerer Werke.


Dieses Buch ist eine Sammlung ausgewählter Erzählungen. Es beinhaltet auch das ursprünglich als Hörspiel konzipierte „Draussen vor der Tür“. Dieses Stück handelt von dem Soldaten Beckmann, der verstümmelt aus dem Krieg in seine Heimatstadt zurückkommt. Für ihn hat das Leben keinen Sinn mehr, er will einfach seine Ruhe haben, und versucht sich das Leben zu nehmen. Es gelingt ihm aber nicht. Er trifft verschiedene Personen, besucht verschiedene Plätze, die er noch aus der Zeit vor dem Krieg kennt. Alles ist aber durch den Krieg anders geworden, nichts ist mehr so wie vorher. Beckmann zieht einfach durch die Strassen und hofft, dass es bald vorbei sein wird. Schliesslich erfüllt sich sein Wunsch und am Ende stirbt er. Die anderen Erzählungen sind meist kurze Ausschnitte aus der Kriegszeit, sie berichten über die Sinnlosigkeit und Grausamkeit des Krieges.


Als ich das Buch zum erstenmal in die Hand nahm, dachte ich, dass es nur eine weitere Geschichte über den Krieg ist. Aber schon nach wenigen gelesenen Seiten musste ich aufhören zu lesen. Es steckte so viel Trostlosigkeit und Verzweiflung darin, dass ich das nicht ertragen konnte. Es war nicht wegen der Handlung, die ist hier mehr oder weniger unwichtig, mich überraschte die Weise, wie das Buch auf mich einwirkte. Der Autor schreibt in einer Art, die den Leser regelrecht in seine Gedankenwelt hineinzieht. Man fühlt die gleiche Niedergeschlagenheit und Hoffnungslosigkeit wie die Hauptfigur Beckmann, man glaubt, man sei er. „Warum muss ich die Gefühle eines Todkranken lesen?“ war mein erster Gedanke, nachdem ich mich ein wenig beruhigt habe (dieses Stück entstand wenige Monate vor Borcherts Tod). Als ich mich aber wieder (nach ein paar Tagen) das Buch zu öffnen getraute, merkte ich, dass das Drama „Draussen vor der Tür“ den Leser nicht nur erschrecken wollte.

Der absolute Pessimismus von Beckmann führte mich schliesslich zum Nachdenken. Beckmann war mit der Welt und dem Leben unzufrieden, er hatte immer Fragen gestellt, auf die er keine Antwort erhielt und die sein Leiden nur vertieften. Er war so mit seinen qualvollen Gedanken beschäftigt, dass er vergass, dass es auch etwas anderes als ihn in seiner Verzweiflung gibt, dass die Welt nicht nur aus Leid und Schrecken besteht. Wie Beckmann durch die Strassen der Stadt schlendert, wird er mit verschiedenen Aspekten seines Daseins konfrontiert. Jeder Teil seines Lebens, alles, was ihm früher etwas bedeutet hat, wird in diesem Stück in Frage gestellt, um dann in einem Teil seiner bodenlosen Verzweiflung verwandelt zu werden. Seine trostlose Situation wird auch durch sein Gefühl der Verantwortung verstärkt, da er sich für den Tod der ihm anvertrauten Soldaten schuldig fühlt. Diese Verantwortung will er seinem ehemaligen militärischen Vorgesetzten weiterreichen. Dieser hält den ganzen Krieg aber für einen saftigen Witz, er begreift Beckmanns Qual nicht. Es tritt Gott auf, er wird mit der klassischen Anschuldigung „wo warst du wenn die Kanonen donnerten“ abgewiesen. Der Gott wird als alter Mann dargestellt, an den nach dem Krieg keiner mehr glauben will. Beckmann will seine Eltern besuchen, in ihrer Wohnung findet er aber einen anderen Mieter, und von dem erfährt er, dass sich seine Eltern umgebracht haben – ein weiterer Beitrag zu seiner Verzweiflung. Er verliert sogar das Mädchen, welches ihn nach seinem Selbstmordversuch am Ufer der Elbe findet. Letztendlich bleibt ihm nur ein einziger Trost, der aber seinen inneren Schmerz nicht lindern kann – der Schnaps.
Beckmann scheint in einen unendlich tiefen Abgrund zu stürzen, ohne jegliche Hoffnung auf Rettung. Es gibt da zwar einen Teil von Beckmann, den „Jasager“, der alles positiv sehen will, der ihn weiterleben lassen will. Dieser Jasager wird aber schliesslich von Beckmanns dunkler, pessimistischer Seite verdrängt und zum Schweigen gebracht.
Borchert verwendet in diesem Drama expressionistische Ausdrücke, durch die individuellen schrecklichen Erlebnisse und das Leiden Beckmanns versucht er, das Leiden der Menschen hervozuheben. Der Autor versucht, die innere Welt Beckmanns zu schildern, die durch die tragischen äusseren Erlebnisse zerstört ist. Dazu werden häufig Allegorien (z. B. der Jasager, die Elbe) verwendet, um die Interaktion des Inneren mit der äusseren Welt zu zeigen.

Die anderen Geschichten in diesem Buch finde ich nicht mehr so abschreckend und verzweifelt.

Sie zeigen Menschen am Rande ihrer Existenz - Soldaten, die aus dem Krieg heimkehren, aber kein Heim mehr finden, einfache Menschen, die nichts zu essen haben, oder Menschen im Zusammenhang mit den Trümmern ihrer Häuser. Man könnte sagen, dass sich im Theaterstück „Draussen vor der Tür“ die konzentrierte Verzweiflung und Trostlosigkeit von all diesen Geschichten zusammen befindet. Mir persönlich haben 2 Geschichten am meisten gefallen – „die Hundeblume“ und „Schischyphusch“.
Die erste handelt von einem Gefangenen, der mit Hass gegenüber allem um ihn herum erfüllt ist. Er muss jeden Tag mit anderen Gefangenen um einen Rasen herumspazieren. Als er einen Löwenzahn am Rasen entdeckt, denkt er an nichts anderes mehr. Am Ende bringt er des Löwenzahns unbemerkt in seine Zelle. Es wird gezeigt, wie die stereotypen Verhältnisse in einem Gefängnis den Menschen verändern können. Die einfache Blume bekommt für unseren Gefangenen einen unvorstellbaren Wert – er war entschlossen, wegen dem Löwenzahn sogar einen Menschen zu töten.
„Schischyphusch“ hängt weniger mit dem Krieg zusammen, die Handlung spielt sich während der Zeit zwischen den beiden Kriegen ab. Es wird dargestellt, wie zwei Menschen mit demselben Problem damit fertig werden. Sie treffen sich zufällig in einem Restaurant. Man sieht deutlich den Unterschied zwischen dem Onkel des Erzählers, einem grossen, lebensfreudigen Rennfahrer, der Frauen und Kognac über alles liebt, und dem kleinen, zusammengezogenen Kellner. Die Ironie dieser Geschichte besteht darin, dass der Onkel den Kellner bemitleidet, ohne sich dabei bewusst zu werden, dass er denselben Sprachfehler wie er besitzt. Eigentlich steht diese Geschichte im Kontrast zu den übrigen Erzählungen Borcherts - statt Verzweiflung und völliger Machtlosigkeit über das Geschehen fand ich hier eine optimistische Lebensanschauung und einen ironischen Humor.


Borchert beschreibt nicht direkt den Krieg, er zeigt seine Auswirkungen auf die Psyche der betroffenen Menschen. Alle seine Werke legen weniger den Wert auf die Handlung, dafür wird aber die Gedankenwelt des Einzelnen detailliert und genau dargestellt, man taucht völlig in die Gedanken und Gefühle des Autors ein.

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