Der Kaugummi
autor Hakki
So wie der Mann hinter dem Schiebefenster mit der flachen Hand, den Daumen abgespreizt, über seine Theke fuhr, so schoben ordnungsliebende Leute Kuchenkrümel und heruntergefallene Zigarettenasche von ihren Tischtüchern. Doch der Mann hinter dem Schiebefenster strich nur das Zehnpfennigstück ein, das Paul ihm vorgelegt hatte. Zwischen Daumen und Zeigefinger hob er die Münze in die Höhe, den Gegenwert eines Kaugummis, und sah sie prüfend an, als hätte er an ihr eine durchsichtige Stelle entdeckt. Aber gleich darauf warf er sie in eine hölzerne Zigarrenkiste, die offen zwischen ein paar Schachteln und Gläsern voller Süßigkeiten auf einem der Bretter an der Rückwand seines Kiosks stand. Er nahm einen Kaugummi aus einem der flachen Kartons und überreichte ihn Paul. Auf seinen Fingern sproßten schmale, dunkle Gestrüppe, auf seiner Brust ein ganzer Wald von Haar. Die Haut darunter war in vollendeter Gleichmäßigkeit rotbraun gebrannt - wie bei Bademeistern. Nie darfst du Geld von fremden Menschen annehmen. Hörst du? Nie! Unablässig bekräftigte Pauls Mutter dieses bekannte Prinzip. Geld und Schokolade in fremden Händen waren tödliche Lockmittel. Mit blinkenden Münzen und klebrigem Zuckerzeug wurden Kinder in Versuchung geführt und zum Verschwinden gebracht. Doch von diesem Groschen würde die Mutter nichts erfahren. Schon war er in der Kasse des Kiosks zwischen lauter anderen Groschen, die alle so aussahen wie er, glücklich versenkt. Auch der Kaugummi würde den Nachmittag nicht überdauern. Und daß Ellen zu den fremden Menschen gehörte, war nicht gewiß. Im Freibad am Hohen Busch gab es nur eine Sorte Kaugummi. Aber diese Sorte gab es, soweit Paul sich auskannte, nur hier und nirgends sonst - lange, ziemlich breite Streifen, eingewickelt in ein Papier, das mit farbigen Zickzacklinien in Rot, Blau und metallisch spiegelndem Silber bedruckt war. Ohne das Papier aufzureißen, sog Paul den Pfefferminzduft ein, und mit einem Schlag kehrte die Erinnerung daran zurück, wie dieser Kaugummi in früheren Sommern geschmeckt hatte und wie er an diesem Nachmittag schmecken würde. Die ersten Augenblicke würden die herrlichsten sein. Die Schärfe der Minze und die Süße des Zuckers würden in einem Verhältnis vollkommener Ausgewogenheit zueinander stehen. Doch leider - leider nicht sehr lange.
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