Graf Appiani. Claudia Galotti.
Appiani (indem er ihr mit einer niedergeschlagenen Miene nachsieht). Perlen bedeuten Tränen!--Eine kleine Geduld!--Ja, wenn die Zeit nur außer uns wäre!--Wenn eine Minute am Zeiger sich in uns nicht in Jahre ausdehnen könnte!--Claudia. Emiliens Beobachtung, Herr Graf, war so schnell als richtig. Sie sind heut ernster als gewöhnlich. Nur noch einen Schritt von dem Ziele Ihrer Wünsche--sollt' es Sie reuen, Herr Graf, daß es das Ziel Ihrer Wünsche gewesen?
Appiani. Ah, meine Mutter, und Sie können das von Ihrem Sohne argwöhnen?--Aber, es ist wahr; ich bin heut ungewöhnlich trübe und finster.--Nur sehen Sie, gnädig Frau:--noch einen Schritt vom Ziele oder noch gar nicht ausgelaufen sein, ist im Grunde eines.--Alles was ich sehe, alles was ich höre, alles was ich träume, prediget mir seit gestern und ehegestern diese Wahrheit. Dieser eine Gedanke kettet sich an jeden andern, den ich haben muß und haben will.--Was ist das? Ich versteh es nicht.--Claudia. Sie machen mich unruhig, Herr Graf--Appiani. Eines kömmt dann zum andern!--Ich bin ärgerlich; ärgerlich über meine Freunde, über mich selbst--Claudia. Wieso?
Appiani. Meine Freunde verlangen schlechterdings, daß ich dem Prinzen von meiner Heirat ein Wort sagen soll, ehe ich sie vollziehe. Sie geben mir zu, ich sei es nicht schuldig; aber die Achtung gegen ihn woll' es nicht anders.--Und ich bin schwach genug gewesen, es ihnen zu versprechen. Eben wollt' ich noch bei ihm vorfahren.
Claudia (stutzig). Bei dem Prinzen?
Neunter Auftritt
Pirro, gleich darauf Marinelli und die Vorigen.
Pirro. Gnädige Frau, der Marchese Marinelli hält vor dem Hause und erkundiget sich nach dem Herrn Grafen.
Appiani. Nach mir?
Pirro. Hier ist er schon. (Öffnet ihm die Türe und gehet ab.)
Marinelli. Ich bitt um Verzeihung, gnädige Frau.--Mein Herr Graf, ich war vor Ihrem Hause und erfuhr, daß ich Sie hier treffen würde. Ich hab ein dringendes Geschäft an Sie--Gnädige Frau, ich bitte nochmals um Verzeihung; es ist in einigen Minuten geschehen.
Claudia. Die ich nicht verzögern will. (Macht ihm eine Verbeugung und geht ab.)
Zehnter Auftritt
Marinelli. Appiani.
Appiani. Nun, mein Herr?
Marinelli. Ich komme von des Prinzen Durchlaucht.
Appiani. Was ist zu seinem Befehle?
Marinelli. Ich bin stolz, der Überbringer einer so vorzüglichen Gnade zu sein.--Und wenn Graf Appiani nicht mit Gewalt einen seiner ergebensten Freunde in mir verkennen will--Appiani. Ohne weitere Vorrede, wenn ich bitten darf.
Marinelli. Auch das!--Der Prinz muß sogleich an den Herzog von Massa, in Angelegenheit seiner Vermählung mit dessen Prinzessin Tochter, einen Bevollmächtigten senden. Er war lange unschlüssig, wen er dazu ernennen sollte. Endlich ist seine Wahl, Herr Graf, auf Sie gefallen.
Appiani. Auf mich?
Marinelli. Und das--wenn die Freundschaft ruhmredig sein darf--nicht ohne mein Zutun--Appiani. Wahrlich, Sie setzen mich wegen eines Dankes in Verlegenheit.--Ich habe schon längst nicht mehr erwartet, daß der Prinz mich zu brauchen geruhen werde.--Marinelli. Ich bin versichert, daß es ihm bloß an einer würdigen Gelegenheit gemangelt hat. Und wenn auch diese so eines Mannes wie Graf Appiani noch nicht würdig genug sein sollte, so ist freilich meine Freundschaft zu voreilig gewesen.
Appiani. Freundschaft und Freundschaft um das dritte Wort!--Mit wem red ich denn? Des Marchese Marinelli Freundschaft hätt' ich mir nie träumen lassen.--Marinelli. Ich erkenne mein Unrecht, Herr Graf, mein unverzeihliches Unrecht, daß ich, ohne Ihre Erlaubnis, Ihr Freund sein wollen.--Bei dem allen: was tut das? Die Gnade des Prinzen, die Ihnen angetragene Ehre bleiben, was sie sind: und ich zweifle nicht, Sie werden sie mit Begierd' ergreifen.
Appiani (nach einiger Überlegung). Allerdings.
Marinelli. Nun so kommen Sie.
Appiani. Wohin?
Marinelli. Nach Dosalo, zu dem Prinzen.--Es liegt schon alles fertig; und Sie müssen noch heut abreisen.
Appiani. Was sagen Sie?--Noch heute?
Marinelli. Lieber noch in dieser nämlichen Stunde als in der folgenden. Die Sache ist von der äußersten Eil'.
Appiani. In Wahrheit?--So tut es mir leid, daß ich die Ehre, welche mir der Prinz zugedacht, verbitten muß.
Marinelli. Wie?
Appiani. Ich kann heute nicht abreisen--auch morgen nicht--auch übermorgen noch nicht.--Marinelli. Sie scherzen, Herr Graf.
Appiani. Mit Ihnen?
Marinelli. Unvergleichlich! Wenn der Scherz dem Prinzen gilt, so ist er um so viel lustiger.--Sie können nicht?
Appiani. Nein, mein Herr, nein.--Und ich hoffe, daß der Prinz selbst meine Entschuldigung wird gelten lassen.
Marinelli. Die bin ich begierig zu hören.
Appiani. Oh, eine Kleinigkeit!--Sehen Sie; ich soll noch heut eine Frau nehmen.
Marinelli. Nun? und dann?
Appiani. Und dann?--und dann?--Ihre Frage ist auch verzweifelt naiv.
Marinelli. Man hat Exempel, Herr Graf, daß sich Hochzeiten aufschieben lassen.--Ich glaube freilich nicht, daß der Braut oder dem Bräutigam immer damit gedient ist. Die Sache mag ihr Unangenehmes haben. Aber doch, dächt' ich, der Befehl des Herrn--Appiani. Der Befehl des Herrn?--des Herrn? Ein Herr, den man sich selber wählt, ist unser Herr so eigentlich nicht--Ich gebe zu, daß Sie dem Prinzen unbedingtem Gehorsam schuldig wären. Aber nicht ich.--Ich kam an seinen Hof als ein Freiwilliger. Ich wollte die Ehre haben, ihm zu dienen, aber nicht sein Sklave werden. Ich bin der Vasall eines größern Herrn--Marinelli. Größer oder kleiner: Herr ist Herr.
Appiani. Daß ich mit Ihnen darüber strittet--Genug, sagen Sie dem Prinzen, was Sie gehört haben--daß es mir leid tut, seine Gnade nicht annehmen zu können, weil ich eben heut eine Verbindung vollzöge, die mein ganzes Glück ausmache.
Marinelli. Wollen Sie ihm nicht zugleich wissen lassen, mit wem?
Appiani. Mit Emilia Galotti.
Marinelli. Der Tochter aus diesem Hause?
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