Kofi Annan biographie
Kofi Annan hat sein gesamtes berufliches Leben bei den Vereinten Nationen verbracht. Doch aus dem sanften Mann aus Ghana wurde kein Bürokrat, sondern ein Visionär mit moralischem Gewicht, der die Uno auf die politische Weltbühne zurückführte.
Als Kofi Annan 1996 in das höchste Amt der Vereinten Nationen gewählt wurde, übernahm er eine Organisation in desaströsem Zustand: Die Uno war fast bankrott, das Verhältnis zu den USA zerrüttet, Friedensmissionen in aller Welt wurden zum Fiasko. Mehr als eine halbe Million Menschen wurden 1994 innerhalb weniger Wochen in Ruanda grausam umgebracht, während die Welt "neutral" zusah. Annan war damals als stellvertretender Uno-Generalsekretär für Friedenseinsätze verantwortlich und wusste, dass die Hutu-Regierung Massenmorde an der Tutsi-Minderheit plante. Doch es gelang ihm nicht, dem Weltsicherheitsrat das Mandat zum Eingreifen abzuringen. Für ihn sei es die schwerste persönliche Niederlage seines Lebens gewesen, sagte Annan später. Für die Uno war es ein Desaster. Der Ruf der Weltorganisation war bei Annans Amtsantritt im Dezember 1996 ruiniert, auf der Bühne der Weltpolitik spielte sie praktisch keine Rolle mehr. Und wohl nur wenige glaubten damals, dass einer wie Annan, der sein ganzes Berufsleben in der Bürokratie des Uno-Systems verbracht hatte, daran so schnell etwas ändern könne. Doch Annan schaffte es in den folgenden Jahren, das Budget der Organisation zu stabilisieren, den Streit mit dem amerikanischen Kongress beizulegen und die Uno wieder zu einem Faktor in der internationalen Politik zu machen. Und vor allem gelang es ihm durch sein sanftes, aber bestimmtes Auftreten zu einer moralischen Instanz zu werden, die weltweit respektiert wird. "Es gibt derzeit weltweit nur zwei Persönlichkeiten von großer moralischer Statur, beide sind Afrikaner mit grauem Haar", kommentierte die "International Herald Tribune" vor wenigen Wochen. Gemeint waren Nelson Mandela und eben Annan. Annan hat es sich selbst auf die Fahnen geschrieben, "neue Themen für die Uno zu definieren", ihre Kräfte für Friedensoperationen auszubauen, Menschenrechte mehr in den Mittelpunkt zu rücken und die reichen Staaten zu einer Öffnung ihrer Märkte für die afrikanischen Länder zu bewegen. Die oft als uneffektiv und träge kritisierte Uno-Bürokratie hat seit Annans Amtsantritt "neuen Wind in den Segeln", wie es David Malone beschreibt, ein Uno-Experte und Chef der New Yorker Friedensakademie.
Annan schaffte es, die desillusionierten Verwaltungsbeamten im Hauptquartier neu zu motivieren. Als Annan 1998 von einem erfolgreichen Vermittlungsversuch aus dem Irak nach New York zurückkam, erwarteten ihn die Uno-Mitarbeiter klatschend und mit Tränen in den Augen. Endlich spiele man wieder eine Rolle auf der Weltbühne, sagten die Mitarbeiter. Annan gab den Uno-Diplomaten wieder das Gefühl, für etwas zu stehen, auf ein Ziel hinzuarbeiten, nachdem die Organisation unter seinen Vorgängern quasi auf "Autopilot" gesteuert und nur die Bedeutungslosigkeit verwaltet wurde. Noch spielt die Uno nicht die Rolle, die sich der Chefdiplomat wünscht. Der Graben zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwischen den Zielen der Uno und realer politischer Macht, ist weiterhin groß. Dass Annan allein nichts bewegen kann, liegt in der Natur seines Amtes. Als oberster Beamter der Weltorganisation kann er nur durchsetzen, was der Sicherheitsrat und schließlich auch die Vollversammlung aller 189 Mitgliedstaaten mittragen. Es waren die bitteren Erfahrungen während des Völkermordes in Ruanda, die ihn zum Vorkämpfer "robuster Uno-Militäreinsätze" werden ließen. Beharrlich setzt sich der 63-Jährige für die Schaffung internationaler Streitkräfte ein, die rasch bei beteiligten Staaten abrufbar sein sollen, um Konflikte im Keim zu ersticken. Von bloßen Friedensappellen hält er nicht viel: "Wenn wir nicht bereit sind, Gewalt durch Gewalt zu unterbinden, können wir nur sehr wenig ausrichten." Erreicht ist das noch lange nicht. Einer Reihe von Staaten geht diese "Kofi-Doktrin" zu weit. Dennoch wurden viele Vorschläge Annans zur Friedenssicherung im vergangenen Jahr vom Millenniumsgipfel der Staats- und Regierungschefs der weitaus meisten 189 Uno-Mitgliedstaaten aufgegriffen. Als Zielvorgaben für die Uno bis zum Jahr 2010 fanden sie zumindest im Ansatz Eingang in die Millenniums-Deklaration. An ihrer Verwirklichung wird Annan noch mehr als fünf Jahre mitwirken. Bereits im Sommer wurde der Spitzendiplomat von der Uno-Vollversammlung für eine zweite Amtszeit bestätigt. Allein die erneute vorzeitige Nominierung war eine Auszeichnung für Annan. Eigentlich wären die asiatischen Staaten an der Reihe gewesen, den Generalsekretär zu stellen, aber ein Kandidat, der es mit dem amtierenden Uno-Chef aufnehmen konnte, existierte nicht. Nach den Anschlägen von New York und Washington, bei denen vermutlich fast 5400 Menschen starben, bemühte sich Annan, die Uno zum Kern der weltweiten Koalition gegen Terrorismus zu machen.
Die USA honorierten dies und kamen Ende September in den Uno-Sicherheitsrat, um eine Resolution zur Blockierung der Geldquellen mutmaßlicher Terroristen zu erreichen. Annan verbrachte zudem Stunden in Telefongesprächen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon und Palästinenser-Präsident Jassir Arafat, um eine Wiederaufnahme der Friedensgespräche zu erreichen. Er gehört zu den wenigen Uno-Vertretern, die sowohl von Israel als auch von den Palästinensern akzeptiert werden. Annan wurde auch nicht müde, nach den Anschlägen, die vermutlich muslimische Extremisten verübt hatten, Toleranz gegenüber den Muslimen zu fordern. Man solle nicht ein ganzes Volk, eine ganze Region oder eine ganze Religion für die Taten Einzelner verantwortlich machen, sagte Annan. Der Ghanaer Annan wurde am 8. April 1938 als drittes von fünf Kindern einer Kaufmannsfamilie geboren. 1959 verließ der hoch begabte Schüler sein westafrikanisches Heimatland und absolvierte ein Wirtschaftsstudium in den USA. Er ist in zweiter Ehe mit der schwedischen Anwältin Nane verheiratet, einer Nichte des schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg, der zu den Vorbildern Annans gehört. Wallenberg hatte als Diplomat unter Einsatz seines Lebens Tausenden von Juden zur Flucht vor den Nazis verholfen. "Er hatte diese innere Stärke, die ihn tun ließ, was er tun musste", sagte Annan einmal.
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